Paul, ich und wir: Die Zeit und die Verhoevens - FJ 1127 - 592g - eerste uitgave

Im Bildteil des Buches stößt man auf ein symbolträchtiges Foto. Aufgereiht vor einer Bronzebüste, eine Familie, das wohl bekannteste Gesicht darunter, die Schauspielerin Senta Berger. Wie ein Patriarch thront der kantige Bronzeschädel über ihnen. Die Büste entstand zum 100. Geburtstag eines Mannes mit einem großen Namen, den die jüngeren unter uns nur noch in seinen Enkeln wiedererkennen werden: Der Ausnahmeschauspieler und Regisseur Paul Verhoeven. In seinen Nachkommen wirkt er noch heute weiter, wie die spannenden und zärtlichen Erinnerungen seines Sohnes Michael Verhoeven zeigen.

Der Schock und die Trauer sind noch heute spürbar. März 1975: Die große Therese Giese ist tot und Paul Verhoeven der letzte in einer Reihe von Trauerrednern. Dann das Unfassliche! Mitten auf der schwarz verhüllten Bühne der Münchner Kammerspiele bricht der große Mime am Rednerpult zusammen! „Menschlichkeit“, waren die letzten Worte, die Michael und seine Schwestern Lis und Monika aus dem Munde des sterbenden Vaters vernahmen. Ein letztes dahingehauchtes Lebensmotto.

Michael Verhoevens Aufzeichnungen gleichen einer Zeitreise in die Frühgeschichte deutschen Filmschaffens. Nach anfänglichem Architekturstudium entdeckte der Rheinländer Paul 1915 bei einer kleinen Theatertruppe seine wahre Leidenschaft. Bereits in den 20er-Jahren sprachen die Frankfurter Theaterfreunde von „ihrem Paule“. 1936 rief der Film. Seine Festlegung aufs komödiantische Fach machte Verhoeven für Nazi-Propagandafilme unbrauchbar. Heinrich George, Rühmann, Hans Söhnker, Luis Trenker -- Legenden jener Zeit ziehen noch einmal vorüber.

Die 60er-Jahre sahen Paul als eines der markantesten TV-Gesichter. Längst hatten da die Kinder Michael und Lis den schwierigen Stab übernommen. Nicht verschwiegen werden die Widerstände gegen den übermächtigen Vater, die Michael fast in den Selbstmord getrieben hätten. Senta Berger und Mario Adorf bereichterten den ohnehin mächtigen Schauspielerstammbaum. Michael profilierte sich mehr und mehr als Regisseur (Die Weiße Rose, Das schreckliche Mädchen, Mutters Courage, mit dem großen Tabori). Heute lebt die Legende Paul weiter in den jungen Gesichtern von Stella Adorf und Simon und Luca Verhoeven, wie die jüngeren unter uns längst wissen.

Ein wunderbares Buch, eine wundervolle und warme Familie und eine nachdenkliche Liebeserklärung an den künstlerischen Stammvater, der in den eingeschobenen (Tonband)-Erinnerungen selbst das Wort übernimmt. --Ravi Unger